Galeristin Eva Stünke im Garten. ZADIK A1,X, 012.

Eva Stünke | Galeristin und „Femme du monde“

Das Ehepaar Eva Stünke (1913-1988) und Hein Stünke (1913-1995) steht als Synonym für die legendäre Galerie Der Spiegel in Köln. Es führte die Galerie gemeinschaftlich und engagierte sich im engen Miteinander in der Vermittlung der Kunst der zeitgenössischen Moderne.

Im Rahmen des Forschungs- und Vermittlungsprojektes Women in the Art Market soll der Fokus auf das Wirken der Galeristin Eva Stünke gerichtet werden: Denn ihre sympathische Persönlichkeit, gepaart mit einem brillanten Kunstverstand, trug wesentlich zur Strahlkraft der Galerie bei.

Im Beitrag werden aber auch der Werdegang des Ehepaares und ihre frühe Galerietätigkeit unter kritischer Betrachtung ihrer beider NS-Vergangenheit thematisiert. Dabei ergeben sich diesbezüglich bei Eva Stünke noch Forschungsdesiderate.

Galeristin und Kommunikationstalent

Eva Stünke steuerte von ihrem Schreibtisch aus die täglichen Geschäfte, realisierte Programm und Organisation der Ausstellungen. Sie erledigte die schriftliche Kommunikation mit Künstler:innen, Sammler:innen, Galerist:innen und Institutionen. Hein Stünke hielt sich lieber im Hintergrund, er konzentrierte sich ab 1950 als Verleger verstärkt auf die einzigartigen bibliophilen Publikationen des Verlags Galerie Der Spiegel aber auch als Unternehmer auf die prosperierenden Werkstätten in Köln und ab 1966 in der Eifel. Er verfasste Reden, Vorträge, Aufsätze und widmete sich seiner verdienstvollen kultur- und „außenpolitischen“ (Werner Hillmann) Aktivitäten bzw. der Lobbyarbeit zu seinem Berufsstand: Er war Mitglied im documenta-Rat, war gemeinsam mit Rudolf Zwirner Gründer des Vereins progressiver deutscher Kunsthändler wie des Kunstmarkt Köln 1967, der ersten aller Messen für moderne und zeitgenössische Kunst.

Mit der Schenkung des Archivs der Galerie Der Spiegel an den Bundesverband Deutscher Galerien legte er den Grundstein für das 1992 konstituierte ZADIK (damals Zentralarchiv des deutschen und internationalen Kunsthandels). Als ZADIK-Bestand A 1 dokumentiert dieser das ganze Universum der Galerie Der Spiegel und seiner Protagonist:innen. Die Geschichte und das detaillierte Ausstellungsprogramm der Galerie sind auf der ZADIK-Webseite unter „Bestände“ nachzulesen.

Eva Stünke war eine außergewöhnliche Galeristin mit vielen überraschenden Facetten. Ihre umfänglichen Korrespondenzen, Geschäftsbriefe und -akten aus dem ZADIK-Bestand A 1 sind beredte Zeugnisse für ihr unglaubliches Talent in allen Bereichen der Kommunikation. Aus alledem erschließt sich das Bild einer aktiven, geistreichen, humorvollen Frau und Kunstvermittlerin. Auf Augenhöhe mit ihrem Ehemann, legte sie eine ungeheure Schaffenskraft an den Tag, beherrschte meisterlich, das, was man heute Multitasking nennt. Tatsächlich hat bei den vielen Betrachtungen und Würdigungen der Kölner Galerie das emanzipierte Wirken Eva Stünkes hinter dem Namen Galerie Der Spiegel zu wenig Beachtung gefunden.

Studienzeit

Eva Stünke, geb. Kahl, war die Tochter eines Chemie-Fabrikanten aus Köln-Kalk. Als sogenannte „Höhere Tochter“ wurde sie auf ein Internat am Genfer See geschickt, war von Kind an vertraut mit Kunst, Musik und Literatur. Sie studierte u.a. Kunstgeschichte in Erlangen und promovierte 1940 über Die Dürer-Nachfolge in der Reliefplastik. Ihren späteren Ehemann, Hein Stünke – der in Kriegszeiten ein geisteswissenschaftliches Studium absolvierte – lernte sie 1942 in Wien kennen, wo dieser eine Kriegsverwundung auskurierte. 1943 heirateten sie.

Das Ehepaar Stünke und die NS-Zeit

Der ehemalige Kölner Galerist Rudolf Zwirner (Jahrgang 1933) hatte das junge Ehepaar Stünke während des Krieges als Schüler in seinem Elternhaus in Braunschweig kennengelernt: Als Kunsthistorikerin war Eva Stünke ihm damals hilfreich bei der Systematisierung seiner riesigen Kunstpostkartensammlung. Zwirner, der 1956 ein Volontariat in der späteren Galerie Der Spiegel absolvierte, blieb dem Ehepaar, besonders aber Hein Stünke, freundschaftlich verbunden. Seine Kenntnis von dessen aktiver NS-Vergangenheit als hoher Funktionsträger in der Jugenderziehung veröffentlichte er erst nach dessen Tod 1988. Wie der Kunstkritiker Eduard Beaucamp in seiner Laudatio für Zwirner im Heft 12 der ZADIK-Zeitschrift sediment schreibt, waren Eva wie Hein Stünke „hohe Jugendfunktionäre im Dritten Reich“ (Beaucamp 2006, S.14). Sie war laut Zwirner von 1943 bis Kriegsende als Stadtkonservatorin für den Braunschweiger Dom, dem „Staatsdom“ des Dritten Reiches, zuständig. Sie war also zumindest linientreu, ihre genaue Rolle im Hitler-Deutschland ist aber noch zu untersuchen. Die Fakten zu Hein Stünke hat Daniela Wilmes 2012 in ihrer Dissertation Wettbewerb um die Moderne. Zur Geschichte des Kunsthandels in Köln nach 1945. Zur Geschichte des Kunsthandels in Köln nach 1945 umfassend ausgewertet. Eva und Hein Stünke selbst haben über ihre NS-Verstrickungen und die Widersprüche in ihrem ‚neuen‘ Leben nach 1945 konsequent geschwiegen. Ein Rätsel bleibt auch, warum der aus Deutschland emigrierte Max Ernst das Vorleben seiner früh vertrauten Freunde offensichtlich nie hinterfragt hat.

Improvisierter Anfang im Kunsthandel

Im April 1945 flüchtete Eva Stünke mit ihrem Mann zurück in ihre Geburtsstadt Köln. In ihren 1985 publizierten Erinnerungen für die Ausstellung des Kölnischen StadtmuseumsAus den Trümmern 1945-1952” schildert sie launig – als hätte es kein Vorher gegeben – ihre vielen Begegnungen und neu entstehenden Netzwerke mit Überlebenden aus dem „Kunstbereich“ sowie ihren improvisierten Neubeginn als Kunsthändlerin.

Sie lässt in diesem essayistischen Meisterstück die Anfangsjahre der Galerie mit ihren prominenten Protagonisten geschichtenreich Revue passieren. Mit humorvollen Reflektionen z. B. über die Verwirrung des Nachkriegspublikums über moderne = abstrakte Kunst kontra Figuration. Mit unterhaltsamen Bonmots ihrer Begegnung mit der späteren Künstlerin Ursula Schultze-Bluhm, an deren Seite sie bereits 1949 im Pariser Musee d’Art Moderne erstmals moderne Kunst der Zeit vor 1933 erlebte. Oder dass der Kölner Kunsthistoriker Hermann Schnitzler sie damit betraute, in Pariser Galerien für ihn französische Graphiken zu erwerben, während sie in der Galerie Daniel-Henri Kahnweiler dessen Picasso-Grafik datieren durfte.

Berührend erzählt ist ihre Begegnung mit der Kunst von Wols und mit dessen Witwe Gréty, zu der es im ZADIK-Bestand A 1 eine kleine Korrespondenz gibt. Der wenige Jahre vor Eva Stünkes Tod publizierte Text liest sich heute wie ein inständiges Plädoyer für ihren Willen aus den Trümmern heraus nach vorn zu schauen. Vielleicht geschrieben in der Überzeugung, ihre Vergangenheit wettgemacht zu haben, mit einem intensiven, ganz der Kunst und den Menschen gewidmeten Leben? (Stünke 1985, S. 317-321).

Anfangszeit der Galerie Der Spiegel

Die Entscheidung zum Handel mit Kunst basierte auf ihrem und ihres Mannes kulturaffinen Hintergrund. Bereits vor dem Krieg hatten beide mit Künstler:innen Kontakt und sie hatten wohl auch Kunst erworben. Eine finanzielle Unterstützung zum Neustart kam von Eva Stünkes Vater, der ihnen auch Kunstwerke aus seinem Besitz überließ. Bereits zum 15. Dezember 1945 kündete Eva Stünke den Start ihres auf ihren Namen offiziell von der Handelskammer Köln genehmigten Kunsthandels an. Die Räumlichkeiten befanden sich in einer Kriegsruine in der Thusneldastrasse 12 in Köln-Deutz.

Im April 1947 erhielt Eva Stünke die offizielle Bestätigung ihrer Selbständigkeit und die Genehmigung zur „Errichtung einer Verkaufsstelle für Kunstgegenstände“ unterschiedlichster Art am benachbarten Gotenring 15. Von „Avantgarde war nicht die Rede“, erinnert sie sich (Stünke 1985/86, S. 317). Auf Drucksachen erschien erstmals der Name Galerie Der Spiegel. In der von Eva Stünke gediegen eingerichteten „Wohnzimmergalerie“ wurden neben Skulpturen und Kunsthandwerk auch „Gemälde, Aquarelle, Pastelle, Zeichnungen, Glasbilder“ rheinischer Künstler:innen angeboten.

Der Geschäftsname „Galerie Der Spiegel Dr. E. Stünke“ ist ihr als promovierte Kunsthistorikerin geschuldet. Die Umgehung des Namens des Ehemannes erläutert Wilmes: „Die Anmeldung des Gewerbes auf Eva Stünke allein hat somit auch handfeste politische Gründe […] sie verhindert dessen politische Überprüfung durch den Entnazifizierungsausschuss.“ (Wilmes 2012, S.111). Eva Stünke dagegen war als sog. „Mitläuferin“ geschäftsfähig. Das Abkürzen ihres Vornamens mag überdies ein ehepartnerschaftliches Zugeständnis gewesen sein.

Umzug der Galerie ins Kölner Stadtzentrum

Die Galerie Der Spiegel eröffnete 1949, im Jahr nach der Währungsreform, im linksrheinischen Stadtzentrum, vis à vis der Kriegsruine des Wallraf-Richartz-Museums, neugeschaffene Räume in der dann legendär gewordenen Richartzstraße 10. Die Galerie wurde mit ihren Nachmittagstreffs bald zu einer frequentierten Diskussionsstätte, in dem Intellektuelle und Avantgardist:innen „eine erste neue geistige Heimat“ (Herzog 2010, S. 62) fanden: Albrecht Fabri, Ernst Wilhelm Nay, Hann und Eduard Trier, Joseph Faßbender, Georg Meistermann, Albert Schulze-Vellinghausen, John Anthony Twaites oder Carl Linfert, Heinrich Böll, Karl-Heinz Stockhausen, Josef Haubrich, Ehepaar Neuerburg, Wolfgang Hahn.

Ein Fotodokument von Peter Fischer aus dem Archiv zeigt Eva Stünke fröhlich mit ihren um Tisch und Flügel versammelten Gästen (A 1,X,001,004). Dass Köln von hier aus zum späteren Zentrum der Gegenwartskunst wurde, ist auch ihrer Präsenz maßgeblich zu verdanken.

Hein Stünke „Wir hatten nichts. Das einzige, was wir in einer gewissen Perfektion hatten, waren die Sprachkenntnisse meiner Frau und das war außerordentlich hilfreich [...] Die Fähigkeiten meiner Frau haben unseren Anfang ungemein erleichtert.“ (Quelle: Sturm o.J., A1, IX, 30).
In Paris mit der Künstlerin Ursula Schultze-Bluhm

Dank ihres perfekten Französisch konnte die Galeristin bereits 1949 in die Weltkunstmetropole Paris reisen: Ursula Bluhm, damals noch unverheiratet und für das Frankfurter Amerikahaus arbeitend, nahm Eva Stünke in offizieller Mission anlässlich einer Kinderverschickung als sprachkundige Begleiterin mit. Dort gelangen ihr erste Kontakte mit prominenten Avantgarde-Galerien wie Daniel-Henri Kahnweiler oder Louis Carré. Nachhaltige freundschaftliche Beziehungen eröffneten sich auch zur Avantgarde-Galerie Denise René. Aus Paris nahm Eva Stünke neue druckgrafische Werke in Kommission mit nach Köln, womit der Galerie Der Spiegel ein Brückenschlag zur französischen Avantgarde gelang: Bald waren – erstmals in Deutschland – Künstler der neuen École de Paris zu sehen wie Hans Hartung (1951), Gérard Schneider (1952), Serge Poliakoff (1954), Wols, Soulages (1955) oder später Vasarely (1956). Rückblickend würdigt Zwirner Eva Stünkes kluge weitblickende Entscheidung, vor allem zeitgenössische Druckgrafik anzubieten, die die Rezeption erleichterte, erschwinglich war und ein neues Sammler:innenklientel erreichte.

Bürokratie in der Galerie Der Spiegel

Ohne Erfahrung in Buchhaltung und anderer bürokratischer Vorgänge waren Stünkes in das Galeriegeschäft eingestiegen. Die von Eva Stünke getippten Geschäftsbriefe, zahlreich auf Durchschlagpapier erhalten, belegen eindrucksvoll die oft improvisierte Geschäftsführung. Auf amtliche Diktion verzichtend, um Ausreden nie verlegen, entschuldigte sie sich gern wortgewandt, charmant bis schnoddrig etwa für finanzielle Unregelmäßigkeiten. Zwirner erinnert sich aus seiner Volontärzeit: „Die Buchhaltung war eine Katastrophe. Sämtliche Rechnungen und Mahnungen wurden in einen großen Karton geworfen. Wenn es zu brenzlig wurde, weil ein Gläubiger mit Klage drohte, schickte mich Eva Stünke auf den Hängeboden um diese Kiste herunterzuholen.“ (Zwirner 2019, S. 44/45).

Eva Stünkes Nebentätigkeit als Journalistin

In den frühen Nachkriegsjahren reichten die Einnahmen der Galerie noch nicht für einen ausreichenden Lebensunterhalt. Zur Aufbesserung des Budgets begann Eva Stünke dank ihrer Liebe für Wort und Sprache Anfang der 1950er Jahre eine Nebentätigkeit als freie Journalistin beim gerade gegründeten NWDR. Bis nach 1960 noch soll sie laut einer Notiz in der ZADIK-Datenbank (A 1, IV, 30, 4) beim WDR als Rundfunk-Autorin und Kommentatorin tätig gewesen sein, jahrelang sogar auch als Co-Kommentatorin der Kölner Rosenmontagszüge.

Die zutiefst rheinische Seele der Eva Stünke war auch in der Galerie präsent: Die Kunsthistorikerin Regina Schultz gibt in Heft 1 des sediment von 1994 deren lebhaft erzählte Erinnerungen an das kölsche Mädchen und die feuchtfröhlichen Karnevalsfeste mit Künstler:innen in den frühen 1950er Jahren in der Galerie wieder.

Im ZADIK-Bestand E 1 des Sammlers Wolfgang Hahn existieren dazu einige beredte Fotodokumente aus dem Jahr 1954.

Eva Stünke, die singende Galeristin. Karnevalssitzung in der Galerie Der Spiegel, 1954. Foto: Marika Wilden. ZADIK, E 1, X, 4, 4 und E 1, X, 4, 5.

Autorin mit Pseudonym

Eva Stünke betätigte sich auch als Schriftstellerin: Unter dem Pseudonym Ernst Heyter erschien 1953 ihr Büchlein Verführung zum Karneval. Eine Einführung in die rheinischen Mysterien. In dem fein illustrierten Band erklärt sie geistreich und humorvoll einer fiktiven Person die Mysterien des urkölschen Karnevals. Ein Jahr später erschien aus ihrer Feder, diesmal unter dem Namen Eva Heyter, ein kleines Buch mit dem Titel Ich werde mindestens Kleopatra, eine Art Berufsberatung für junge Leserinnen. Der befreundete Kunstkritiker Albert Schulze Vellinghausen empfahl das Büchlein, in der FAZ vom 10.12.1954 als ein „aufregendes Vergnügen“ (ZADIK, G4, XIII,15, 83). Aus heutiger Sicht umschreibt das Büchlein wohl eher ihren eigenen kompromisslosen Neuanfang nach der sogenannten ‚Stunde Null‘. Ein Paradebeispiel für Eva Stünkes schöpferische Lust an der Sprache, ist nicht zuletzt ihr 1962 verfasster, hinreißend, vor Erzählfreude sprühender Erlebnisbericht: Ein Tag bei Max Ernst, den sie nach einem Besuch beim Künstler im französischen Huismes zu Papier gebracht hat (Schultz-Möller 2005, S. 41-43).

Max Ernst, Dorothea Tanning und die Galerie Der Spiegel

Die Begegnung mit Max Ernst und seinem Werk waren für Eva Stünke, die Galerie und auch für den Künstler von existenzieller Bedeutung. Regina Schultz-Möller veröffentlichte 2005 in Heft 8 des sediment ihren breit recherchierten und faktenreichen Aufsatz „Max Ernst und die Galerie der Spiegel“, zu dem sie die riesigen Konvolute der Geschäftskorrespondenz im ZADIK-Bestand A 1 als auch die im Besitz der Galerie Der Spiegel verbliebenen Archivalien ausgewertet hat. Die von großer Sympathie getragene Beziehung zwischen Künstler und Galeristin nahm 1953 ihren Anfang, anlässlich der ersten Max-Ernst-Ausstellung in der Galerie und währte bis zu Ernsts Tod im Jahre 1976. Beider Partner, Ernsts Ehefrau Dorothea Tanning, sowie Hein Stünke waren in das enge freundschaftliche Band stets eingeschlossen. Im Bestand A 1 finden sich hinreißende Briefe auch von Dorothea Tannings Hand an Eva und Hein Stünke gerichtet (Behn 2010, S. 77, 79).

„Meine Frau charmierte beide auf kölsche Art und Weise, und bald saß man bei Kaffee und Kuchen und plauderte über Gott und die Welt, Vergangenes und Gegenwärtiges“ (Hein Stünke, Vortrag im Wallraf-Richartz-Museum am 21.6.1991, zitiert aus Schultz-Möller 2005, S. 10).
Zusammenarbeit mit dem Künstler Max Ernst

Bereits 1951, bei Max Ernsts erster Retrospektive im Nachkriegsdeutschland in seiner Heimatstadt Brühl, war das Ehepaar Stünke unterstützend tätig. Die erste 1953 in der Galerie Der Spiegel präsentierte Max-Ernst-Ausstellung zeigte 23 neuentstandene Gemälde und leistete einen Beitrag zu seiner Anerkennung in Deutschland nach dem Krieg. Über ihre weitreichenden Vernetzungen vermittelte Eva Stünke bedeutende Werke Max Ernsts an Museen und Sammlungen in Deutschland und Europa.

Neben ihrem beachtlichen Arbeitspensum für die regulären Galerieausstellungen inklusive der zahlreichen notwendigen Reisen durch Europa und nach Amerika, pendelte sie – zuweilen auch mit ihrem Mann – seit 1956 über Jahre zwischen Köln, Huismes, Seillans oder Paris, den Domizilen des Ehepaares Ernst/Tanning in ihrer französischen Wahlheimat.

(v.r.n.l.) Max Ernst, Eva Stünke und eine unbekannte Person vor dem Haus in Huimes am 14. Juli 1956. Foto: unbekannt. ZADIK, A1, X, 007, 118a.
(v.r.n.l.) Max Ernst, Eva Stünke und eine unbekannte Person vor dem Haus in Huimes am 14. Juli 1956. Foto: unbekannt. ZADIK, A 1, X, 7, 118a.

Zu den vielen Max Ernst gewidmeten bibliophilen Publikationen vermittelte sie in Arbeitsteilung mit ihrem Mann von Frankreich aus zwischen Künstler und den beteiligten Institutionen, bearbeitete Bücher, transkribierte Max Ernsts Texte, überprüfte versiert Übersetzungen, Korrekturen, Andrucke, besuchte Druckereien und Verlage. Auch Flüge, Veranstaltungen, Empfänge und vieles mehr erledigte sie für ihn. Überdies organisierte sie die gesamte Kommunikation mit Galerien, Sammlungen und Ausstellungsinstitutionen – Leihverkehr, Transport, Zoll – Versicherungen. Dazu kamen auch Max-Ernst-Grafik-Ausstellungen, die sie für kleinere Museen und Kunstvereine in ganz Deutschland kuratierte und organisierte, und die dank der Werkstätten der Galerie Der Spiegel oft komplett mit Wechselrahmen angeliefert wurden. Als Höhepunkt der Max-Ernst-Ausstellungen im Spiegel bewertet Schultz-Möller die letzte, im Dezember 1964 eröffnete, wie sie schreibt, „jedem musealen Anspruch gerecht“ werdende Schau Max Ernst – Das graphische Werk, mit „handverlesenen“ Bildern, konzipiert in enger Kooperation zwischen Künstler und Eva Stünke (Schulz-Möller 2005, S. 22/23).

„Aber nun endlich zu den Gedichten, die ich jetzt mitreissend rhythmisiert finde – und auch ein kleiner Hexameter könnte kaum Schaden anrichten. Die ganze Schönheit und Jugend dieser Zeilen guckt einen jetzt an – wie kommt es nur, dass jedes Wort wie heute geschrieben wirkt? es ist nicht nur Ihre Sprache – es sind die alten Worte doch, die plötzlich ganz ins Heute wollen.“ (Brief von Eva Stünke an Max Ernst, o.D. [Ende 1963], ZADIK A1, VIII, 12, 85)
Freundschaftskorrespondenz zwischen Max Ernst und Eva Stünke

Die rege Korrespondenz zwischen Eva Stünke und Max Ernst im ZADIK-Bestand A 1 reicht von 1955 bis 1976 und umfasst rund 500 Dokumente, die inzwischen digitalisiert wurden. Aus dem Komplex ‚Max Ernst‘ besonders erwähnenswert sind einige mit Vogelfiguren und Geheimschrift geschmückte Briefe, kleine kunsthistorische Kostbarkeiten aus den frühen 1960er Jahren, die der Künstler meist an die „Liebe Eva“ richtete. Diese sind Zeugnisse der beginnenden Freundschaft, die ab 1963 mit dem beiderseitigen Du und dem häufigen „Dein Max“ besiegelt wurden.

Neben dem Geschäftlichen lassen die Briefe Raum für den Austausch höchst persönlicher Befindlichkeiten, als Ausdruck tiefster Freundschaft, Vertrautheit und gegenseitigen Verstehens. Die Korrespondenz offenbart auch das hohe intellektuelle Niveau im Dialog zwischen Eva Stünke und dem Freund – von beiden oft mit Witz, aber stets auf Augenhöhe und mitunter rheinisch garniert. Sie hielt ihn über alle gesellschaftlichen Ereignisse auf dem Laufenden, an denen er nicht teilnehmen konnte oder wollte. Regelmäßig schickte sie ihm Literatur deutscher Klassiker und Zeitgenoss:innen, neue Kunstkataloge und Zeitungskritiken nach Paris. Sie schaute für ihn sozusagen auch Ausstellungen an, die er, besonders in seinen letzten Lebensjahren aus terminlichen oder gesundheitlichen Gründen, nicht mehr selbst besuchen konnte. Die Korrespondenz enthüllt aber auch die Schattenseiten des Galeriegeschäfts, wenn Eva Stünke etwa dem Künstler ihr Herz ausschüttet über die tagtägliche Arbeitsbelastung gepaart mit Finanzsorgen und Existenzängsten, die ihren Tribut mit wiederkehrenden Erkrankungen forderten.

„Der Kampf geht nämlich schon wieder weiter – vor die Sonntagsruhe haben die Götter die Löhne, Gehälter, Steuern, Krankenkassen und Lieferanten gesetzt.“ (Quelle: Eva Stünke 1966 an Max Ernst, A1, VIII, 11, 4)
Krisenzeit im Kunsthandel

Die Krisenzeit des Kunsthandels Mitte der 1960er Jahre brachte auch die Galerie Der Spiegel in Existenznöte. So manches Projekt der Galerie konnte nicht mehr finanziert werden, unter anderem ein lange geplantes Herzensprojekt von Eva Stünke: Die Herausgabe des graphischen Werkverzeichnisses von Max Ernst. Von ihr intensiv vorbereitet mit einer 1966 geschriebenen ersten Manuskriptfassung – wurde es 1975 schließlich von Helmut R. Leppien und Werner Spies realisiert. Es zerschlugen sich damals auch ihre Hoffnungen, durch den Verkauf hochkarätiger Max-Ernst-Gemälde aus dem eigenen Bestand die Existenz zu sichern, da die Preise vom amerikanischen Markt diktiert wurden und für deutsche Sammler:innen nicht mehr akzeptabel waren. Eine sorgenvolle Eva Stünke schilderte ihre Zukunftsangst in einem Brief an den Freund, aber auch mit positivem Ausblick: „[…] d.h. viel Zeit zur Angst habe ich ja nicht. Wir werden immer heftigst arbeiten müssen, um wieder Kredit zu verdienen. Und die Arbeit, die wir uns ausgesucht haben, ist ja zum Glück sehr schön. Wenn wir weiter Bücher machen können, geht es uns nicht schlecht. / Wir wollen aber auch weiter Ausstellungen machen. […] / Kurzum: et muss wat jemaht wäde. Oder il ne faut jamais désespérer.“ (Eva Stünke an Max Ernst, Juni 1966, A 1, VIII, 7; s.a. Schultz-Möller 2005, S. 25).

Geburtstagsbrief von Eva Stünke an Max Ernst, Köln, 1. April 1974. ZADIK A1, VIII, 011, 0020r.
Geburtstagsbrief von Eva Stünke an Max Ernst, Köln, 1. April 1974. ZADIK A 1, VIII, 11, 20r.

Letztendlich waren die Geschäfte mit der Kunst von Max Ernst, den edlen Verlagsprodukten sowie der Handel mit dessen Gemälden dann doch erfolgreich genug, den Stünkes einen gewissen Lebensstandard zu sichern. Dazu dankt sie ihm in ihrem, „Lieber, einziger Max!“ überschriebenen Geburtstagsbrief vom 1.4.1974 (Stünke, E. an M. Ernst, 1.4.1974, ZADIK A 1, VIII, 20).

Persönliches Engagement für Max Ernst

Den alltäglichen Sorgen trotzte Eva Stünke dank ihrem Ehrgeiz, handfeste Probleme mit Beharrlichkeit zu lösen. Im Archiv bestens dokumentiert und auch publiziert sind einige ihrer ‚Großtaten‘ für ihre Vaterstadt Köln, für Max Ernst und dessen Geburtsstadt Brühl: Wohlbekannt ist die heikle Angelegenheit, bei der es ihr 1959 gelang, dank ihrer Beziehungen zu Dr. Josef Haubrich, dem prominenten Kölner Rechtsanwalt und Sammler, Max Ernst aus einem bedrohlichen Eherechtsproblem zu befreien und damit auch die Rechtmäßigkeit seiner Ehe mit Dorothea Tanning zu bestätigen (Schultz-Möller 2005, S. 15/16; Behn 2010, S. 70/71).

Von großem öffentlichen Gewinn war auch ihre gut dokumentierte „Einmischung“ in die Kölner Museumspolitik: Sie brachte es mit Weitsicht zuwege, Max Ernst und das Wallraf-Richartz-Museum zu überzeugen, die seit 1950 überfällige Max-Ernst-Retrospektive, trotz der vorausgegangenen großen Max-Ernst-Übersichtsausstellungen (Chicago, New York, London), zu realisieren. Mit Unterstützung Eva Stünkes und der Galerie zeigte das Wallraf-Richartz-Museum vom 28. Dezember 1962 bis zum 3. März 1963 das Werk von Max Ernst mit Gemälden, Zeichnungen, Aquarellen, Collagen, illustrierten Büchern und Plastik.

Auch reagierte sie mit Zivilcourage als es darum ging, Max Ernst vor öffentlichem Rufmord zu schützen: Der Kritiker Georg Jappe behauptete im Kölner Stadt-Anzeiger vom 2./3. April 1966, im Rahmen seiner ‚Geburtstagshommage‘ für den Künstler, dieser hätte sich 1940 der Rettung seiner ersten Ehefrau Lou Straus-Ernst vor der Deportation ins KZ verweigert. Wie Briefe und Dokumente bezeugen, setzte Eva Stünke alle privaten wie juristischen Hebel in Bewegung. Mit Gegendarstellungen in der Presse u.a. von Max Ernst und dessen Sohn Jimmy Ernst, konnte sie die Diffamierung für alle Zeiten entkräften.

Brühler Affäre um Max Ernst

Vielfach erzählt ist Eva Stünkes entschlossene Einmischung in die von 1951 bis 1969 schwelende sog. „Brühler Affäre“. Die Briefwechsel zwischen ihr, Max Ernst und Vertretern der Stadt sind spannend und vergnüglich zu lesen. Die Kunsthistorikerin Ursula Lindau entschlüsselt ausführlich in Brühler Heimatblätter von 2007 die komplizierten Sachverhalte rund um Max Ernst und die 1966 von ihm abgelehnte Ehrenbürgerschaft seiner Heimatstadt Brühl. Eva Stünke trug an der Seite von Max Ernst mit ihrem diplomatischen Fingerspitzengfühl dazu bei, die lokalpolitischen Unstimmigkeiten zu einer glücklichen Versöhnung zu lenken.

Eva Stünke (vorne), eine unbekannte Frau (hinten) mit Max Ernst (links) und vermutlich dem Bürgermeister von Brühl (rechts), undatiert. Foto: Unbekannt. ZADIK A1, X, 012, 213.
Eva Stünke (vorne), eine unbekannte Frau (hinten) mit Max Ernst (links) und vermutlich dem Bürgermeister von Brühl (rechts), undatiert. Foto: Unbekannt. ZADIK A 1, X, 12, 213.

Im Jahr 1969 beschenkte Max Ernst seine Heimatstadt u.a. mit seinem kostbaren bibliophilen Mappenwerk Maximiliana oder die widerrechtliche Ausübung der Astronomie (1964). Im Rahmen ihrer im Brühler Informationszentrum inszenierten, kleinen feinen Ausstellung rund um die Maximiliana setzte Eva Stünke mit einer liebevoll formulierten Eröffnungsrede, nicht ohne charmant gesetzte Seitenhiebe, den Schlusspunkt unter die „Affäre“.

„Erstens mache ich den Leuten eine ganze Ausstellung aus der Maximiliana, sie wird fein eingerahmt und beschriftet. Wir tun vielleicht ein ‚Himmlisches‘ Bild dazu, u. U. den grossen Fries der drei Tänzer u. s. w.“ (Eva Stünke an Max Ernst, 21.7.1968, ZADIK A1, VIII, 11, 132)
Eva Stünke als Kontaktstelle für Max Ernst

Im Mai 1971 anlässlich Max Ernsts 80. Geburtstag wurde – nach dem Großen Habakuk in Düsseldorf – der Max Ernst-Brunnen der Brühler Öffentlichkeit übergeben. Auch dabei ging es nicht ohne Eva Stünkes Funktion als Kontaktstelle zwischen dem Künstler und der Stadt bis hin zur Organisation des Gusses. Aus den Briefen an Max Ernst lässt sich zudem der Aufwand ermessen, den sie für eine perfekte Organisation der Skulpturen-Ereignisse in Düsseldorf und Köln in Kauf nahm. Sie organisierte angemessene Hotelreservierungen für Max Ernst und dessen Gäste, etliche Empfänge, Restaurants und vieles mehr. Legendär ist die von ihr abschließend am 12. Mai organisierte Geburtstags-Bootsfahrt auf dem Rhein mit prominenten Gästen.

Rheinfahrt zum 80. Geburtstag von Max Ernst. (v.l.n.r.) Max Ernst, Eva Stünke und Hein Stünke auf dem Steeg zur MS Rheingold, 12. Mai 1971. Foto: Unbekannt. ZADIK, A1, X, 117.
Rheinfahrt zum 80. Geburtstag von Max Ernst. (v.l.n.r.) Max Ernst, Eva Stünke und Hein Stünke auf dem Steeg zur MS Rheingold, 12. Mai 1971. Foto: Unbekannt. ZADIK, A 1, X, 117.

Dokumentiert in einem Fotoalbum im Archiv sieht man Eva Stünke strahlend und in sichtlich enger Verbundenheit mit dem Künstler und seiner Frau. In den folgenden Jahren unterstützte Eva Stünke mit ihrer Galerie die Stadt Brühl bei Ankäufen von Grafik, Büchern, Katalogen und Fotos zum Aufbau von Max-Ernst-Archiv und -Sammlung, es wurde der Grundstock für das Max-Ernst-Kabinett (1980/81) und für das im Jahr 2005 eröffnete Max-Ernst-Museum. Zu letzterem Anlass veranstaltete das ZADIK seine von Heft acht des sediment (s.o.) begleitete Sonderausstellung Max Ernst und die Galerie der Spiegel.

Das Verhältnis von Künstler:innen zur Galerie Der Spiegel

Über die vielen Jahrzehnte hinweg wurde die Arbeit der Galerie Der Spiegel, getragen von den Freundschaften und dem unbedingten Vertrauensverhältnis zwischen Eva und Hein Stünke und den vielen Künstler:innen, berichtet Werner Hillmann, langjähriger Vertrauter und Mitarbeiter, Nachfolger und aktueller Geschäftsführer der Galerie. Christo und Jean Claude, erzählt er, überließen ihr, als sie 1964 nach Amerika übersiedelten, vertrauensvoll den Schlüssel für ihr Kunstlager in Paris. Im September 1968 z. B. begleitete sie den jungen David Hockney während seiner Europareise bei einer Schiffstour auf dem Rhein, wo sie ihm mit ihrem fundierten Fachwissen alle Burgen und Schlösser erklärte: Hockney ließ seine Eindrücke später in seine 39 Radierungen zu Six Fairy Tales from the Brothers Grimm einfließen. Die unermüdliche Galeristin wurde von den Künstler:innen hofiert. Die Briefe und Postkarten zeugen davon. „Liebe Eva“ war eine gängige Anrede, „Liebes Evchen“ (Josef Fassbender) oder „Chère Petite Eva“ (Vasarely), um nur einige zu zitieren. Zu den unterschiedlichen Spiegel-Künstler:innen enthält der Bestand A 1 noch eine Fülle an unerschlossenen Dokumenten: Korrespondenzen, Geschäftsbriefe, Tagebücher, Kalender oder Karteikarten, die auf eine wissenschaftliche Auswertung warten.

„Femme du Monde“ – Eva Stünke als Frau der Welt

Eva Stünke wird von denen, die sie in ihren letzten Schaffensjahren noch persönlich gekannt haben, als charmante, groß- und warmherzige, breitgebildete und immer wissenshungrige Frau beschrieben. Werner Hillmann kann sich aus seiner langen Zeit an ihrer Seite an eine Fülle alltäglicher wie außergewöhnlicher Erlebnisse erinnern. Er charakterisiert sie achtungsvoll als „Femme du Monde“ – nicht nur wegen ihrer stets eleganten Erscheinung.

Eva Stünke (rechts) mit Edith Vohwinkel-Diel (links) auf der Ausstellungseröffnung von Gerhard Wind „Geh durch den Spiegel" in der Galerie Der Spiegel, 1958, Foto: Johanna Schmitz-Fabri. ZADIK, H1, X, 002, 015.
Eva Stünke (rechts) mit Edith Vohwinkel-Diel (links) auf der Ausstellungseröffnung von Gerhard Wind „Geh durch den Spiegel” in der Galerie Der Spiegel, 1958, Foto: Johanna Schmitz-Fabri. ZADIK, H 1, X, 2, 15.

An viele interessante Begebenheiten mit Eva Stünke aus den frühen 1980er Jahren erinnert sich z.B. die damals in der Galerie angestellte Kunsthistorikerin Karin Thönnissen. Sie hebt die heitere Arbeitsatmosphäre in der Galerie heraus, erzählt von französischen Konversationsrunden mit der Chefin, die zur eigenen Erbauung auch französische Poesie ins Deutsche übertrug. Sie erinnert sich auch an den globalen kunsthistorischen Wissensschatz der Stünkes. Erwähnenswert fand sie Eva Stünkes Aussage, es wäre schwierig gewesen, Frau zu sein im Kunstgeschäft. Gern und häufig verband Eva Stünke ihren intellektuellen Wissensdurst mit ihrer legendären Leidenschaft nach Ausstellungseröffnungen oder Finissagen in ihrem kultivierten Privathaus mit selbstgemachter Erbsen- oder Kartoffelsuppe und Wein für das leibliche Wohl ihrer Gäste zu sorgen. Davon sprechen auch Dankesbriefe prominenter Gäste. Als Dame von Welt trat sie auch gern selbst auf dem gesellschaftlichen Parkett in Erscheinung. Aus den Erzählungen der Zeitgenoss:innen ließe sich ein eigenes Kapitel schreiben.

Das Ende der Galerietätigkeit des Ehepaars Stünke

Im Jahr 1980 entschied sich das Ehepaar Stünke aus Altersgründen kürzer zu treten. Das Erdgeschoß in der Richartzstraße 10 und die Werkstatt in der Eifel verkauften sie an den Galeristen Heinz Holtmann. Bis 1983 führten die Stünkes die Geschäfte zunächst vom Obergeschoß aus weiter. Im November 1983 eröffnete die Galerie Der Spiegel ihr neues, verkleinertes Domizil im Kölner Süden in der Bonner Straße 328, in der Nähe ihres Hauses in der Marienburg. Eva Stünke lenkte hier als Geschäftsführerin den Ausstellungsbetrieb ungebrochen weiter. 1988 erhielten sie und ihr Mann das Bundesverdienstkreuz. Im Juni 1988 starb Eva Stünke überraschend auf einer Fahrt in die Schweiz in einem Hotel im Taunus.

Nach dem Tod von Hein Stünke im Jahr 1994 übernahm Werner Hillmann die Galerie Der Spiegel. Zur Jahreswende 1996/97 zog er mit der Galerie in neue großzügige Räumlichkeiten im Hinterhaus der ehemaligen Adresse in der Richartzstrasse 10. Der Name Eva Stünke ist bis heute präsent im Impressum: Galerie Der Spiegel, Dr. E. Stünke Nachfolger GmbH, Geschäftsführer Werner Hillmann.

Zukunftsausblicke für die Forschung an der Galerie Der Spiegel

Zusammenfassend betrachtet nahm Eva Stünke in der Welt des Kunsthandels gleich nach 1945 eine herausragende Position ein: Die couragierte und hochgebildete Frau war von Beginn an eigenständig, lenkte den Galeriebetrieb dennoch gleichwertig und immer auf Augenhöhe mit ihrem Ehemann Hein Stünke, genauso wie sich das Ehepaar nicht nur intellektuell und praktisch in allen Lebensfragen ergänzte. Die Kölner Galeristin erweitert hier den Kreis ihrer, im Blog bereits vorgestellten namhaften Zeitgenossinnen, die unmittelbar nach dem Krieg und in den Anfangsjahren der Bundesrepublik aus unterschiedlichsten Lebensverhältnissen heraus sich höchst erfolgreich und zukunftsweisend auf dem Kunstmarkt behaupteten wie z. B. Aenne Abels, Hella Nebelung, Hilde Thannhauser oder Denise René.

Zahlreiche weitere, noch nicht vollständig erschlossene oder digitalisierte Archivalien aus dem – 28 Regalmeter umfassenden – Bestand A 1, wie Briefwechsel und Geschäftspost zu Galerist:innen, Künstler:innen oder Institutionen, sogar Dokumente aus der Studienzeit bis hin zu Akten aus den späten Jahren der Galerie, werden den Blick auf Eva Stünke, auf ihren Mann und die Galerie Der Spiegel weiter verdichten. Lohnenswert für eine Würdigung der Galeristin und Frau Eva Stünke wären sicherlich Interviews mit Zeitzeug:innen.

verfasst von Helga Behn


Literatur

Behn, Helga: Max Ernst und Dorothea Tanning: Spieglein, Spieglein an der Wand…“, in: Behn, Helga: Herzlich Ihr Max, Künstlerpost aus den Beständen des ZADIK. Zentralarchiv des internationalen Kunsthandels e.V. ZADIK (Hg.), Nürnberg 2010.
 
Herzog, Günter: Das Zentralarchiv des internationalen Kunsthandels in Köln und sein Sammlungsprofil am Beispiel der Galerie Der Spiegel, in: Archiv und Wirtschaft, Zeitschrift für das Archivwesen der Wirtschaft, 43. Jg., H.2, 2010, S. 59-67, URL:
https://web.archive.org/web/20191115154259/https://www.wirtschaftsarchive.de/veroeffentlichungen/zeitschrift/Beitrag_Herzog.pdf
 
Heyter, Ernst: Verführung zum Karneval. Eine Einführung in die rheinischen Mysterien, Düsseldorf 1953.
 
Heyter, Eva: Ich werde mindestens Kleopatra. Recklinghausen, 1954.
 
Lindau, Ursula: Max Ernst und seine Vaterstadt. Anmerkungen zu einer komplizierten Beziehung, In: Brühler Heimatblätter zur heimatlichen Geschichte, Natur- und Volkskunde für Brühl und Umgebung, 64. Jg., Nr.1, Januar 2007, S. 1-4. / Nr.2, April 2007, S. 9-13, URL:
https://www.yumpu.com/de/document/view/22226620/max-ernst-und-seine-vaterstadt-heimatbundbruehl.de
 
Schultz-Möller, Regina: Max Ernst und die Galerie Der Spiegel, in: sediment. Mitteilungen zur Geschichte des Kunsthandels, H.8, Nürnberg 2005.
 
Schwerfel, Heinz Peter: Rudolf Zwirner, in: Energien/Synergien 2, Kunststiftung NRW (Hg.), Düsseldorf 2004.
Wilmes, Daniela: Wettbewerb um die Moderne. Zur Geschichte des Kunsthandels in Köln nach 1945. Schriften zur modernen Kunsthistoriographie 2, Berlin 2012.
 
Zwirner, Rudolf: Erinnerungen an Eva und Hein Stünke, in: sediment. Mitteilungen zur Geschichte des Kunsthandels, H.1, Bonn 1994.

Zwirner, Rudolf: Autobiografie, Ich wollte immer Gegenwart, aufgeschrieben von Nicola Kuhn, Köln 2019.
Quellennachweise

Beaucamp, Eduard: Die Ästhetik des Entzugs. Für Rudolf Zwirner, in: Um ’67 – Rudolf Zwirner und die frühen Jahre des Kunstmarkt Köln. Festschrift anläßlich des Art-Cologne-Preises 2006, in: sediment. Mitteilungen zur Geschichte des Kunsthandels, H.12, Nürnberg 2006, S. 14.
 
Beaucamp, Eduard, in: Artblog Cologne, Eduard Beaucamp, 3. November 2020. Aus dem AudioarchivKunst. Stimmen zu der zeitgenössischen Kunst im Rheinland. Oelze, Sabine und Ritter, Marion (Hg.), Track 7, URL:
https://soundcloud.com/audioarchivkunst/eduard-beaucamp-7-rheinland?utm_source=audioarchivkunst.de&utm_campaign=wtshare&utm_medium=widget&utm_content=https%253A%252F%252Fsoundcloud.com%252Faudioarchivkunst%252Feduard-beaucamp-7-rheinland
 
Schultz, Regina: Die Galerie Der Spiegel und der Bundesdeutsche Markt, In: sediment. Mitteilungen zur Geschichte des Kunsthandels, H.1, Bonn 1994, S. 21-24.
 
Schultz-Möller, Regina: Max Ernst und die Galerie Der Spiegel, in: sediment. Mitteilungen zur Geschichte des Kunsthandels, H.8, Nürnberg 2005, S. 9-39.
 
Stünke, Eva: „Kann man da ge – hen?“. Erinnerungen, in: Honnef, Klaus/ Schmidt, Hans M. (Hg.): Aus den Trümmern. Kunst und Kultur in Rheinland und Westfalen 1945-1952. Neubeginn und Kontinuität. Ausst.- Katalog Rheinisches Landesmuseum Bonn, Kunstmuseum Düsseldorf, Museum Bochum, Bonn 1985/86, S. 317-321.
 
Stünke, Eva: Ein Tag bei Max Ernst (Eva Stünke 1962), in: sediment. Mitteilungen zur Geschichte des Kunsthandels, H.8, Nürnberg 2005, S.41-43.
 
Sturm, Maria Birgit: Interview mit Hein Stünke. Manuskript 8. Oktober o. J. ZADIK A 1, IX, 3.
 
Zwirner, Rudolf: Erinnerungen an Eva und Hein Stünke, in: sediment. Mitteilungen zur Geschichte des Kunsthandels, H.1, Bonn 1994, S.25-26.
 
Zwirner, Rudolf, in: Artblog Cologne, Rudolf Zwirner, 13. April 2018. Aus dem AudioarchivKunst. Stimmen zu der zeitgenössischen Kunst im Rheinland. Oelze, Sabine und Ritter, Marion (Hg.), Track 2, URL:
https://soundcloud.com/audioarchivkunst/sets/rudolf-zwirner-1?utm_source=clipboard&utm_medium=text&utm_campaign=social_sharing
 
Zwirner, Rudolf: Autobiografie, Ich wollte immer Gegenwart, aufgeschrieben von Nicola Kuhn, Köln 2019, S. 14, 32-57.

Dr. Helga Behn ist Kunsthistorikerin. Sie war von 2007 bis 2022 ehrenamtliche Mitarbeiterin beim ZADIK. Davor war sie langjährige wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Museumsdienst Köln mit Schwerpunkt Vermittlungsarbeit im Museum Ludwig.

Zitierweise: Behn, Helga: „Eva Stünke. Galeristin und ‚Femme du monde‘“, in: Women in the Art Market, 24.01.2024, URL: https://witam.hypotheses.org/6030.

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redaktionwitam (24. Januar 2024). Eva Stünke | Galeristin und „Femme du monde“. Women in the Art Market. Abgerufen am 7. Februar 2025 von https://doi.org/10.58079/vnvq


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